Forschungsstelle Sudetenland – Forschungsregion Mähren

Mähren, tschechisch und slowakisch Morava ist eines der drei historischen Länder Tschechiens. Die tschechische Bezeichnung für das Gebiet kommt von dessen gröřtem Fluss, der March, tschechisch Morava. Westlich wird Mähren von Böhmen durch die Böhmisch-Mährische Höhe begrenzt, nördlich von Österreichisch-Schlesien und Polen durch die Sudeten, östlich von der Slowakei durch die Weiřen Karpaten und südlich von Österreich durch den Fluss Thaya. Hauptstadt Mährens und Sitz der Markgrafen war bis 1641 Olmütz, das auch Bistumssitz war, danach Brünn.

Die Region ist seit ca. 250.000 Jahren besiedelt, seit etwa 5.700 v. Chr. lassen sich erstmals bäuerliche Kulturen nachweisen. Im 6. Jahrhundert besiedelten die slawischen Mährer die Region. Anfang des 8. Jahrhunderts stand der südliche Teil im Einflussbereich der Awaren. Nachdem Karl der Groře diese vertrieben hatte, entstand gegen Ende des 8. Jahrhunderts im heutigen südöstlichen Mähren, Teilen der südwestlichen Slowakei und später auch in Teilen Niederösterreichs das Mährische Fürstentum. Aus ihm entstand im Jahre 833 das Reich Grořmähren, das später zeitweise auch verschiedene groře Nachbargebiete beherrschte. 863 führten die beiden byzantinischen Mönche Kyrill und Method das Christentum ein. Das Grořmährische Reich unterlag um 907 im Kampf gegen die vordringenden Ungarn. Danach war es noch kurzzeitig unabhängig und kam etwa 955 unter böhmische Oberhoheit, unterbrochen von 999 bis 1019 durch den polnischen Herrscher Boleslaw Chrobry. Die Přemysliden regierten das Fürstentum und spätere Königreich Böhmen. Über längere Zeit bestanden in Mähren drei Fürstentümer, deren Herrscher alle Přemysliden und deren Zentren Brünn / Brno, Olmütz / Olomouc und Znaim / Znojmo waren.

Seit dem Jahr 1031 verläuft die mährische Geschichte fast ununterbrochen parallel zur Geschichte Böhmens. 1182 wurde Mähren zur Markgrafschaft erhoben und damit reichsunmittelbar, jedoch 1197 wieder der böhmischen Lehnshoheit unterstellt. Nach dem Aussterben der Přemysliden regierten die Luxemburger das Königreich bis 1437. Die Dynastien der Přemysliden und der Luxemburger stellten auch die mährischen Markgrafen. Während der Hussitenzeit blieben die meisten mährischen Adligen dem katholischen Glauben und dem böhmischen sowie ungarischen König und späteren Kaiser Sigismund von Luxemburg treu.

Im Jahre 1469 besetzte der ungarische König Matthias Corvinus mit seiner Streitmacht Mähren, um seinen Schwiegervater Georg von Podiebrad als böhmischen König zu stürzen. Er lieř sich in Olmütz 1469 zum böhmischen Gegenkönig wählen. Papst Paul II. unterstützte ihn und der Tod Podiebrads 1471 kam ihm zu Hilfe. Matthias konnte aber Böhmen nie erobern, seine Herrschaft erstreckte sich nur über die böhmischen Nebenländer Mähren, Schlesien (mit Breslau), Ober- und Niederlausitz. Trotzdem nannte er sich seit 1469 böhmischer König und lieř sich 1471 krönen. Der Thronstreit endete erst 1479 durch den Frieden von Olmütz, der die Aufteilung des Königreichs Böhmen unter Vladislav II. und Matthias Corvinus festlegte. Durch den plötzlichen Tod Ludwigs II., des Sohnes von Vladislav II. Jagiellonsky in der Schlacht bei Mohács (1526) übernahm wegen der vorher geschlossenen Verträge das Haus Habsburg die Herrschaft, das bis 1918 regierte.

Bereits 1526 bildete sich im Raume Nikolsburg um Balthasar Hubmaier eine der ersten Gütergemeinschaften der radikal-reformatorischen Täuferbewegung. Deren drohende Auflösung nach der Hinrichtung Hubmaiers 1528 verhinderte der aus Tirol stammende Jakob Hutter, weshalb die Wiedertäufer auch Hutterische Brüder hieřen. Bis zu 60.000 Täufer lebten in Mähren, davon 12.000 in Nikolsburg. Kurz nach den Wiedertäufern und gefördert durch den ansässigen Adel hielt auch die reformatorische Lehre Martin Luthers Einzug in Südmähren. Die Kirche spaltete sich in Katholiken und die evangelisch-lutherische und anderen Kirchen. Während der Gegenreformation übernahmen zwangsweise die Katholiken viele Kirchen. Nach der Verfolgung der Täufer in Mähren 1535 bis 1767 durch Katholiken, Evangelische und Türken floh ein Rest nach Russland.

Obwohl der jüdische Anteil der Bevölkerung gering war, ordnete Kaiser Karl VI. 1726 für Mähren die Höchstzahl jüdischer Familien mit 5106 an, jüdische Ehen konnten nur eingeschränkt geschlossen werden und Juden mussten zunehmend in eigenen Vierteln leben.

Als Markgrafschaft Mähren bildete das Land im Kaisertum Österreich bzw. seit 1867 in der westlichen Reichshälfte Österreich-Ungarns ein eigenes Kronland. Nach dem Ausscheiden Ungarns aus dem Kaisertum und der Schaffung der Realunion Österreich-Ungarn 1867 nannten sich die verbliebenen Kronländer amtlich als Cisleithanien bzw. die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder. Mähren wählte Abgeordnete in den Wiener Reichsrat und besař einen eigenen Landtag und eine Landesausschuss genannte Landesregierung. Im Jahre 1905 entspannte ein Kompromiss zwischen den beiden stärksten Ethnien in Mähren, der als der Mährische Ausgleich in die Geschichte eingegangen ist, die Situation. Es gab nun ethnisch getrennte Wahlkreise für die Landtagsabgeordneten der Deutschen und der Tschechen. So sollte konfliktfreies Zusammenleben der beiden Völker ermöglicht werden.

Mit der Gründung der Tschechoslowakei am 28. Oktober 1918 gehörte Mähren zum neuen Staat. In diesem behielt es seine Stellung als Land. Im Jahr 1928 vereinigte sich Mähren mit Schlesien zum Land Mähren-Schlesien.

Als Folge des Münchner Abkommens 1938 annektierte das Deutsche Reich die überwiegend deutsch besiedelten Gebiete in Nord- und Südmähren und besetzte sie bis zum 10. Oktober militärisch. Die restlichen, ganz überwiegend von Tschechen besiedelten Gebiete Mährens besetzte die deutsche Wehrmacht am 15. März 1939, sie waren fortan Teil des Protektorates Böhmen und Mähren. Am 14. April 1939 kam das nordmährische Gebiet zum Reichsgau Sudetenland, das südmährische zum Reichsgau Niederdonau, dem vormaligen Niederösterreich.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai 1945 kamen die annektierten Gebiete wieder zur Tschechoslowakei zurück. Ab Mitte Mai 1945 kam es zu Vertreibungen der deutschen Bevölkerung über die Grenze nach Deutschland bzw. Österreich. Die Potsdamer Konferenz vom 25. Juni bis 2. August 1945 beschloss die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung. Diese geordnete Vertreibung erfolgte zwischen Januar und Oktober 1946 mittels Güterzügen.

Literatur:
Friedrich Prinz: Böhmen und Mähren. Deutsche Geschichte im Osten Europas 2. Aufl. Berlin, Siedler 1993
Walter Koschmal, Marek Nekula, Joachim Rogall (Hrsg.): Deutsche und Tschechen. Geschichte – Kultur – Politik. Becksche Reihe. Nr. 1414. 2. durchgesehene Auflage. München, C.H. Beck 2003,
Jörg K. Hoensch: Geschichte Böhmens. Von der slavischen Landnahme bis zur Gegenwart. Becks historische Bibliothek. 4. Aufl. München, C. H. Beck 2013
Joachim Bahlcke: Geschichte Tschechiens: Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. München, C.H. Beck 2014

Berlin, den 27. November 2022.
Andreas Rösler


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