Die Westpreußenkartei, ihre Entstehung und Entwicklung

Die Westpreußenkartei ist untrennbar verbunden mit dem Wirken von Helmut Strehlau. Dieser wurde am 6. September 1909 in Danzig geboren und interessierte sich schon als Jugendlicher für genealogische Forschungen. Zunächst studierte er Mathematik und Naturwissenschaften in Danzig und arbeitete danach ab 1935 als Lehrer an Schulen in Danzig. Durch seine Eheschließung im Lisette Wiesberger, einer Nachfahrin von nach Ostpreußen emigrierten Salzburgern, erstreckte sich seine seit 1929 begonnenen Forschungen sowohl auf West- als auch auf Ostpreußen. Er baute ein „Westpreußen-Archiv‟ auf, das aus einer Kartei und einer Fachbibliothek bestand. Vom Verlag C.A. Starke wurde er mit der Bearbeitung und Herausgabe der Sonderbände über Danzig und Westpreußen des „Deutschen Geschlechterbuchs‟ beauftragt. Allerdings erschienen die zwei 1940 schon gesetzten Bände nicht und der Satz wurde durch Kriegseinwirkungen zerstört.

Nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft musste Helmut Strehlau völlig neu beginnen, waren doch alle Unterlagen vernichtet worden. Schon 1946 begann er mit dem Aufbau einer „Forschungsstelle Westpreußen‟, mit der er an die Arbeit der „Gesellschaft für Familienforschung, Wappen- und Siegelkunde in Danzig‟ anknüpfte. So gelang es ihm, dass seine Sammlung sich zu einer zentralen Sammelstelle für gerettete westpreußische Forschungsergebnisse entwickelte, deren Kern die „Westpreußenkartei‟ bildete. Zusätzlich bearbeitete er in Zusammenarbeit mit dem Verlag C.A. Starke die vier Westpreußen-Bände, einen Posen-Band und mehrerer Allgemeine Bände des „Deutschen Geschlechterbuchs‟.
Hauptberuflich war er seit 1951 als Lehrer in Bielefeld tätig. Daneben veröffentlichte er zahlreiche genealogische Abhandlungen in verschiedenen ostdeutschen Heimatzeitungen und Jahrbüchern, im „Archiv für Sippenforschung‟ und in der „Ostdeutschen Familienkunde‟. An der OFK arbeitete er ab deren Erscheinen 1953 bis 1987 mit, hauptsächlich mit Beiträgen über Patrizierfamilien in Danzig, Elbing und Thorn sowie die Lehrerschaft der von ihm selbst besuchten Petrischule zu Danzig. Der Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher e.V. trat er bei und leitete von 1960 bis 1983 die Forschungsstelle Westpreußen. Für seine Verdienste wurde er 1986 zum Ehrenmitglied ernannt. Aus gesundheitlichen Gründen schränkte er seine Tätigkeit zunehmend ein und gab im Jahre 1983 die Arbeit und sein umfangreiches Archiv ab. Helmut Strehlau starb am 6. Dezember 1991 in Bad Salzuflen

Für die Westpreußenkartei wertete Helmut Strehlau ab 1946 systematisch Zeitschriften, Bücher, gedruckte Ahnentafeln usw. auf die darin enthaltenen Westpreußen aus und arbeitete die Angaben in die Kartei ein. Daraus entstand die so genannte große Kartei. Zugleich sammelte er alle erreichbaren genealogische Materialien, die Westpreußen betrafen, darunter auch Kirchenbuchkopien, und stand in regem Austausch mit vielen Forschern. Dadurch entstand einmal eine umfangreiche Ablage von Unterlagen, gleichzeitig verkartete er die gewonnenen Ergebnisse, woraus die kleine Kartei entstand. Weil der Umfang der Unterlagen für ihn wahrscheinlich zu groß war, vernichtete er nach der Verkartung viele gerade ältere Korrespondenzen, wie in den „Forschungssachen…‟ dokumentiert wurde.

Alfons Perlick (*Ossen 13.Juni 1895, † Wegscheid-Thurnreuth 24. September 1978), vor der Vertreibung Professor an der Pädagogischen Akademie in Beuthen, war von 1949 bis 1960 Professor für Heimat- und Weltkunde an der Pädagogischen Akademie in Dortmund und wurde 1952 Leiter der neu eingerichteten Ostdeutschen Forschungsstelle im Lande Nordrhein-Westfalen, die er bis 1973 leitete,. Diese setzte hauptsächlich heimatkundliche und volkskundliche Lehrerforschung der Vorkriegszeit fort. Durch eine Initiative von Otto Heike (*Lodz 11. Februar 1901, † Erkrath 13. Oktober 1990) kam es 1961 zu der Bildung eines Arbeitskreises genealogischer Forschungsstellen und eine erste gemeinsame Tagung wurde ausgerichtet. Otto Heike gelernter Schriftsetzer, später Redakteur bei der „Neuen Lodzer Zeitung‟ und Archivar des Stadtarchivs in Lodz, hatte auch frühzeitig zur regionalhistorischen Forschung gefunden und heimatkundliche Beiträge u.a. in der „Neuen Lodzer Zeitung‟ veröffentlicht. Er hatte ein großes Interesse an der genealogischen Forschung und unterstützte die Aktivitäten der genealogischen Forschungsstellen wesentlich. Als Regierungsrat im Referat für kulturelle Fragen der Vertreibungsgebiete im Arbeits- und Sozialministerium von Nordrhein-Westfalen hatte er dazu vielfältige Möglichkeiten.

Die Arbeit Strehlaus war seit 1959 schon als Studienstelle Westpreußische Familienforschung organisiert, die als erste genealogische Studienstelle der späteren Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund. Im Jahr 1961 kamen durch die genannte Initiative die Studienstelle für die Provinz Posen und das Deutschtum in Polen (Otto Firchau), die Studienstelle schlesische Familien- und Ortsnamenforschung (Oskar Pusch, *Breslau 8. April 1902, † Bad Bodendorf 15. Februar 1992) und Pommern (Günter Babick, * 26. Februar 1910, † Dortmund † 13. Mai 1963). Später kamen die „Studienstelle Familienforschung Mittelpolen und Wolhynien‟ (Edmund Effenberger) und die „Studienstelle Stadt- und Personengeschichte im Raum Estland in Verbindung mit westfälisch-baltischen Beziehungen„ (Dirk Erpenbeck) hinzu.

Im Jahre 1983 übergab er aus Altersgründen die Leitung der Studienstelle sowie die Kartei und die wichtigsten Materialien an Walter Kapahnke, der ebenfalls in Bad Salzuflen lebte. Die Sammlung westpreußischer Druckschriften behielt er, diese gelangten nach seinem Tode an Dritte. Zum Zeitpunkt der Übergabe enthielt die Kartei ca. 300.000 Karteikarten. Walter Kapahnke führte die Arbeit der Westpreußischen Familienforschung fort und vergrößerte ebenfalls die Kartei und die zugehörigen Materialien. Im Jahr 1990 wurde die Westpreußenkartei samt zugehörigen Ordnern mit Ausarbeitungen in zwei Fahrten von Bad Salzuflen nach Lünen überführt. Dort hatte der „Verein zur Förderung EDV-gestützter Familienkundlicher Forschungen e.V.‟ in seinem Archiv Räumlichkeiten bereitgestellt, die auch als Archiv der „Studienstelle Ostdeutsche Genealogie‟ genutzt wurden. Von dort aus werden Auskünfte aus der Westpreußen-Kartei durch Mitarbeiter der „Studienstelle Ostdeutsche Genealogie‟ erteilt.

Zu diesem Zeitpunkt betrug der Umfang der Kartei ca. 380.000 Karten in 112 Karteikästen und bald 100 Ordner und handgeschriebene Kladden mit Ausarbeitungen, ferner weitere genealogische Materialien. Mit übernommen wurden zur Studienstelle gehörige genealogische Fachbücher und -zeitschriften, während die westpreußischen Spezialliteratur aus dem Privatbesitz von Helmut Strehlau an Dritte gelangte. Zu den übernommenen Materialien gehörten auch Ausarbeitungen von Thorner Stadtgeschlechtern aus dem Nachlass Wentscher, personenkundliche Auszüge aus den Amtsblättern von Marienwerder und Danzig von Friedwald Möller, eine Auswertung der Huldigungslisten Westpreußens 1772 bzw. 1793 und der Matrikel des Danziger Gymnasiums. Ein Jahr später übergab er die Kartei und die Materialien zugleich mit der Leitung der Westpreußischen Familienforschung offiziell an Klaus-Dieter Kreplin in Herdecke.

Die Benennung von Klaus-Dieter Kreplin war mit einer Umstrukturierung und Neuorientierung der Studienstelle, verbunden sie hieß nun „Studienstelle Ostdeutsche Genealogie‟, weil sie sich nun auch der pommerschen Familienforschung widmete, was sich durch den Erwerb des Nachlasses von Günter Babick anbot. Schwerpunkt der weiteren Arbeit wurde nun die Aufarbeitung mit der EDV, es wurden Regesten der Materialien erstellt, ein Teil der Kartei elektronisch erfasst und Neuerwerbungen gleich elektronisch erfasst. Die Studienstelle gab weiterhin Auskünfte aus der Kartei und den anderen vorhandenen Materialien. Von diesen wurden auf Anfrage auch Kopien erstellt. Allerdings wurden keine umfangreicheren Forschungen betrieben.

Die Studienstelle war nun mit drei Stellen (Klaus-Dieter Kreplin, Hans-Jürgen Kappel und Dieter God) besetzt. Ende des Jahres genehmigte das Arbeitsamt in Lünen 3 ABM-Stellen zur Übernahme der Westpreußenkartei in die EDV. Gleichzeitig schaffte der „Verein zur Förderung EDV-gestützter familienkundlicher Forschungen‟ mit Zuschüssen des Landes Nordrhein-Westfalen Computer und Zusatzgeräte an, die zu 50 % für die Übernahme und die Arbeit mit der Westpreußen-Kartei genutzt werden. Durch die ABM-Kräfte konnten folgende Projekte 1991 abgeschlossen werden: EDV-Erfassung der gedruckten Bestände, die in der Westpreußen-Kartei verarbeitet sind, und der Titel der nicht gedruckten Referenzen, EDV-Erfassung von nichtverkarteten westpreußischen Materialien (Matrikel des Danziger Gymnasiums, Kompletterfassung, 12854 Einträge, Bürgeraufnahmen Thorn 17.Jhd. von Semrau, 1556 Einträge, Namensregister zum ältesten Taufbuch 1643-1700 von Letzkau bei Danzig, von Adelbert Goertz, 116 Einträge, Namensregister zu Willy Heidn: Geschichte des Kreises Karthaus, 2269 Einträge, Neumeyer: Namensregister zu Moeller, Altpreußisches ev. Pfarrerbucht, mit Ergänzungen, Westpreußen betreffend, Komplett, Namens- und Ortsangaben, ca. 4000 Namen, gesamt ca. 8700 Einträge, Trennung der Westpreußen-Kartei nach gedruckten und nicht gedruckten Materialien.
Die Überblicksverzeichnung der ca. 250 Ordner wurde 1992 abgeschlossen, dabei eine Übersicht der in den Mappen enthaltenden Familiennamen erstellt und jeweils Inhaltsverzeichnisse angelegt. Beabsichtigt war der Druck eines Verzeichnisses. Zudem wurden Karten der großen Kartei, die sich auf diese ungedruckten Quellen beziehen, aus dieser herausgezogen und in einer eigenen, der sogenannten kleinen Kartei zusammengefasst, die vollständig elektronisch erfasst werden sollte. Dazu gehören die oben genannten Ordner, ausgewertete Ahnenlisten (z.B. aus dem Umlauf der Zentralstelle für Genealogie in Leipzig), Kirchenbuchauszüge, die Verkartung der Möllerschen Auszüge westpreußischer Amtsblätter usw. Gleich in die EDV aufgenommen werden neu hinzugenommene Materialien wie die Ausarbeitung zu Thorner Genealogien von Wentscher (Erfassung zum großen Teil durchgeführt), die Matrikel des Danziger Gymnasiums (siehe unten), die westpreußischen Pfarrer usw.
Die große Kartei sollte nicht erfasst werden, da ihr eine deutlich geringere Bedeutung beigemessen wurde. Die Arbeiten wurden auch 1993 fortgesetzt, allerdings wurde nun aus der kleinen Kartei alle Karten entnommen, die sich auf ungedruckte Danziger Bürgerbücher beziehen. Diese wurden vollständig erfasst. Bearbeitet wurden nun auch die seit 1990 entstandenen Unterlagen. Die weitere Erfassung zog sich wegen der ausgelaufenen ABM-Stellen hin, hauptsächlich beschränkte sich die Arbeit ab 1994 auf die Auskunftserteilung. Im Jahr 1996 mussten die genutzten Räume in Lünen abgegeben werden. Nach einer kürzeren Einlagerung bei den Mitarbeitern konnten im Dezember wieder neue Räume in Lünen bezogen werden, die der „Verein zur Förderung EDV-gestützter familienkundlicher Forschungen e.V.‟ angemietet hatte.

Die Kooperation mit dem „Verein für Computergenealogie e.V.‟ wurde 1999 beendet, Dieter God schied als Mitarbeiter aus und Hans Jürgen Kappel übernahm die Auskunftstätigkeit. Daher wurden die Materialien wenig später nach Möhnsee transportiert. Ein Teil des Archivs und die Bibliothek befanden sich bei Klaus-Dieter Kreplin. An der grundsätzlichen Ausrichtung der Arbeit änderte sich nichts, allerdings nahmen die Zuschriften auf elektronischem Weg beständig zu. Die Forschungsstelle wurde zum 30.Juni 2004 aufgelöst, die Bibliothek wurde der Universitätsbibliothek Dortmund übergeben und in deren Bestand eingearbeitet, die anderen Unterlagen der Forschungsstelle verblieben bei den bisherigen Bearbeitern.

Die Westpreußenkartei und die zu ihr gehörenden Ordner und Forschungsunterlagen in einem Umfang von 284 475 Karten und 150 Ordnern wurden der Arbeitsgemeinschaft ostdeutsche Familienforscher geschenkt und in zwei Transporten im Oktober 2014 und September 2015 von Herdecke nach Berlin gebracht, wo die Unterlagen schrittweise digitalisiert und bearbeitet werden. Die Arbeiten an der Kartei sind inzwischen abgeschlossen, diese befindet sich im Vereinsarchiv in Herne und die Indexierung zur künftigen Onlinenutzung hat begonnen.

Interessierte Mitarbeiter melden sich beim Projektleiter Andreas Rösler.

 

 

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Literatur:
Hoffmann, Johannes: „Forschungsstelle Ostmitteleuropa‟ an der Universität Dortmund, in: Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde 31 (1988), S. 334-338.
Kapahnke,Walter: Helmut Strehlau 75 Jahre, in:.Archiv für Sippenforschung 50, 1984, S.536-537.
Kapahnke,Walter: Helmut Strehlau +. In: Ostdeutsche Familienkunde, Bd.XIII, 1992, S.70-71.
Kreplin,Klaus-Dieter: In eigener Sache und Arbeitsbericht 1998 der Studienstelle Ostdeutsche Genealogie. Genealogisches Archiv Kreplin. Herdecke 1999.
Perlick, Alfons und Schlenger, Herbert: Ostdeutsche Forschungsstelle im Lande Nordrhein-Westfalen. Wegweiser. Schriftenreihe für die Ost-West-Begegnung. Kulturheft. Nr. 43. Troisdorf 1962.
Strehlau, Helmut: Westpreußische Familienforschung. In: Alfons Perlick: Zehn Jahre Ostdeutsche Forschungsstelle im Lande Nordrhein-Westfalen. (Der Wegweiser 43) 1962, S.141-149.

 

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