Personenstandsregister in Schlesien – Nichtstaatlicher Provenienz

Register über den Personenstand kannte das Mittelalter nicht. Allerdings wurde erstmals auf der Synode von Taurney 1481 die Einführung von Taufbüchern vorgeschlagen, die Synode von Alcala 1497 ergänzte dies um Traubücher. Manche Kirchen führten auch Läuteregister, wobei dabei die Erfassung der eingenommenen Gebühren im Vordergrund stand. Der Beginn der Reformation nach 1517 und die damit zusammenhängende Spaltung der christlichen Kirche ließ eine Übersicht über die Angehörigen der eigenen Religion wichtig werden.

In den evangelischen Gebieten wurde durch Kirchenordnungen, die der jeweilige Landesherr erließ, die Anlegung entsprechender Personenstandsregister geregelt. Die Kirchenbücher wurden in Deutsch geführt.
In der katholischen Kirche führten die Beschlüsse des Trienter Konzils 1563 zur Verpflichtung der Pfarrer Tauf- und Ehebücher anzulegen, mit dem Rituale Romanum durch Papst Paul V. wurden auch Begräbnisbücher eingeführt. Die Diözesansynode in Breslau 1580 befahl die Nennung von Tag, Monat und Jahr der Taufe, die Angabe der Eltern und Paten, ebenso bei Trauungen die Angabe der Brautleute und den Tag der Trauung. Im Jahr 1592 erneuerte die Diözesansynode diese Forderung und legte fest, dass auch ein Buch mit dem Namen und dem Todestag der Verstorbenen zu führen ist. Bei Visitationen sollten die Archidiakone die Einhaltung dieser Bestimmungen beachten, welche die Synode von Neisse 1653 noch einmal wiederholte. Die Eintragungen erfolgten in Latein, erst nach 1794 in Deutsch.
Für die Grafschaft Glatz, die zur Erzdiözese Prag gehörte, waren die Reformartikel des Erzbischofs Anton Bruns von Müglitz (1561–1580) maßgebend, in denen er die Festlegungen des Trienter Konzils noch einmal nachdrücklich einforderte. Für die Erzdiözese Olmütz hatte die Synode 1581 die Verpflichtung der Anlegung von Tauf- und Traubüchern erlassen, trotzdem sind in diesem Gebiet keine Kirchenbücher aus der Zeit vor 1600 zu Beginn des 20. Jahrhunderts erhalten.
Das älteste 1937 erhaltene Kirchenbuch war jenes von Schnellewalde, Kreis Neustadt, das 1557 beginnt. Wenig später, 1561 bzw. 1563, beginnt das Taufbuch von Neisse, gefolgt von den Tauf- und Begräbnisbüchern von Jauer (1567), Namslau (1568) und Hirschberg (1569).
Mit dem Preußischen Allgemeinen Landrecht 1794 bekamen die Pfarrer die staatliche Aufgabe der Führung der Register. Es mussten nun Duplikate angefertigt werden, die jährlich an das zuständige Amtsgericht abgeliefert wurden.
Für Dissidenten und Angehörige der jüdischen Religion wurden ab 1847 Personenstandsregister bei den zuständigen Gerichten geführt.
Mit der Einführung von Standesamtsregistern ab 1. 10. 1874 in Preußen waren diese fortan die allein gültigen Personenstandsregister.

Nach 1900 etablierte sich die genealogische Forschung, was sich in einer Vielzahl von genealogischen Vereinen widerspiegelt. Kirchenbücher gehörten dabei zu den am häufigsten genutzten Quellen. In Schlesien gab der Verein für Geschichte Schlesiens 1902 daher ein Kirchenbuchverzeichnis heraus. Im Laufe der Zeit hatte sich allerdings gezeigt, dass eine nicht unwesentliche Zahl weiterer Kirchenbücher aufgetaucht waren, andererseits auch der Verlust einiger zu bemerken war. Das führte dazu, dass unter Leitung von Staatsarchivdirektor Dr. Erich Randt mit Dr. Horst Oskar Swientek ein neues Verzeichnis erarbeitet wurde, bei dem neben den genannten Aufzeichnungen zu Taufe, Trauung und Begräbnis auch jene über Erstkommunionen, Konfirmationen, Abendmahlsbesuche und Firmungen berücksichtigt wurden, ferner die bei den Amtsgerichten aufbewahrten Zweitregister und die staatlich angelegten Personenstandsregister für Dissidenten und Angehörige der jüdischen Religion.

Für die Rasseideologie der Nationalsozialisten gewannen die Personenstandsaufzeichnungen eine große Bedeutung, da sie für viele Lebenssituationen, so eine Heirat oder den Eintritt in den öffentlichen Dienst, einen Abstammungsnachweis verlangten. Damit einher ging eine systematische Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen jüdischen Glaubens, die im Völkermord an den europäischen Juden gipfelte. In diesem Prozess sollte durch die Reichsstelle für Sippenforschung eine lückenlose Erfassung aller Taufeinträge von zum Christentum übergetretenen Angehörigen der jüdischen Religion in einem Gesamtregister erfolgen und ein Gesamtverzeichnis aller die jüdische Religion betreffenden Archivalien angelegt werden. Viele Aufzeichnungen der jüdischen Gemeinden wurden daher beschlagnahmt und finden sich nun in staatlichen Archiven.

Die Originalkirchenbücher wurden bis zum Kriegsende überwiegend in den Pfarreien aufbewahrt, ein Teil der älteren Bücher allerdings an das Diözesanarchiv in Breslau abgegeben. In der evangelischen Kirche gab es Bemühungen um die Sicherung der Kirchenbücher durch die Aufbewahrung im Evangelischen Zentralarchiv in Breslau. Da dies aber in dem zur Verfügung stehenden Platz beschränkt war, verwahrte man zunächst hauptsächlich Kirchenbücher, bei denen eine Gefahr für die Erhaltung gesehen wurde. Im Jahr 1944 wurden die in Breslau befindlichen evangelischen Kirchenbücher ausgelagert, sie sind an den Auslagerungsorten mit großer Wahrscheinlichkeit vernichtet worden. Für den Nachweis, welche evangelischen Kirchenbücher bis 1944 in Breslau gesammelt wurden, ist es gelungen ein Verzeichnis im Staatsarchiv Breslau zu aufzufinden, das den ehemaligen Bestand des Zentralarchivs verzeichnet und handschriftliche Vermerke von Eva Lindner trägt, aus denen die Zusammenstellung der Kisten für die Verlagerung hervorgeht.

Durch die Folgen des Zweiten Weltkrieges und die Vertreibung des größten Teils der deutschen Bevölkerung hat sich die Situation grundlegend geändert. Mehrere in der Folgezeit erschienen Publikationen, zunächst für die katholischen Kirchenbücher1, später für alle Kirchenbücher, versuchten eine Übersicht über noch existierende Bücher zu schaffen und erfassten Teilbereiche, ein Gesamtverzeichnis sämtlicher vorhandenen Bestände unter Berücksichtigung der Vorkriegsbestände und der Verlagerungen fehlt allerdings. Daher war es innerhalb der AGoFF-Forschungsstelle Schlesien ein lange geplantes Vorhaben ein solches Verzeichnis zu erstellen. Angestoßen wurde es letztlich dadurch, dass Simone Schober-Wischkony in dankenswerter Weise den Vorkriegsbestand an Originalkirchenbüchern nach Erich Randt und Horst Oskar Swientek erfasste. So war schon einmal der Vorkriegsbestand dokumentiert. Im Gegensatz zu diesem Verzeichnis wurden die Orte allerdings mit den amtlichen Namen und der Kreiszugehörigkeit des Jahres 1913 berücksichtigt. Gerade in den Jahren 1936 und 1937 waren viele schlesische Gemeinden innerhalb der nationalsozialistischen Umbenennungswelle in Fantasienamen scheinbar deutschen Ursprungs umgewandelt worden. Die Daten der Umbenennung wurden mit erfasst.

Für die Register nichtstaatlicher Provinienz ist die Situation nicht einfach, da vorhandene Unterlagen an sehr unterschiedlichen Orten gelagert werden können. Bis 1945 lagerte der größte Teil der Kirchenbücher in den Gemeinden und war dadurch Kampfhandlungen und nachfolgenden Plünderungen ausgesetzt. Nur bei den im Diözesanarchiv in Breslau lagernden Büchern war kein Verlust zu verzeichnen.

Die katholischen Kirchenbücher befinden sich, sofern noch vorhanden, in vielen Fällen in den Pfarrämtern und wurden oft weitergeführt. Zunehmende Bemühungen in den einzelnen Diözesen führten dazu, dass ein Großteil inzwischen in den zuständigen Diözesanarchiven liegt. Das ist aber nicht immer der Fall, in der Diözese Oppeln wurden zwar alle erreichbaren Kirchenbücher und weitere Akten der Gemeinden akribisch für die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage verfilmt, anschließend aber wieder den Gemeinden ausgehändigt. Durch diese Verfilmung, die auch in der Diözese Gleiwitz vorgenommen wurde, konnten diese Bestände über die Recherche auf der Seite familysearch.org erfasst werden. Für die Diözese Breslau konnte auf das Werk „Pfarrbücherverzeichnis für das Erzbistum Breslau“ zurückgegriffen werden, für die Diözese Kattowitz über das dortige Bestandsverzeichnis. Berücksichtigt wurde auch der geringe Bestand schlesischer Kirchenbücher im Archiv in Regensburg.

Die Situation der evangelischen Kirchenbücher gestaltet sich deutlich schwieriger. Viele Bücher wurden durch Kriegseinwirkungen und die Zeit unmittelbar danach vernichtet, auch deshalb, weil sie nicht weitergeführt wurden und wenig Interesse an ihnen bestand. Sind sie erhalten geblieben, liegen sie heute überwiegend in den (polnischen) Staatsarchiven; in den noch existierenden evangelischen Gemeinden von Schweidnitz und Waldenburg befinden sich viele evangelische Kirchenbücher, auch einige benachbarter Orte. Manche Kirchenbücher lagern noch heute in katholischen Pfarrämtern und oft nur durch Zufall wird dies bekannt. Die unmittelbar zum Kriegsende verlagerten Kirchenbücher befinden sich heute meist im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin oder im Archiv des evangelischen Kirchenkreisverbandes in Görlitz, erstere sind inzwischen überwiegend über die kostenpflichtige Plattform www.archion.de zugänglich. Gerade für die Kirchenbuchverfilmungen der dreißiger Jahre ist das Staatsarchiv Leipzig, Abt. 3 (ehemals selbständige Zentralstelle für Genealogie) ein wichtiger Anlaufpunkt. Aber auch die Martin-Opitz-Bibliothek in Herne verwahrt einige schlesische Kirchenbücher.

Bei der Erfassung der Kirchenbücher wurde nicht zwischen Erst- und Zweitschriften unterschieden, da dies ohne die Einsicht in die Kirchenbücher vor Ort in vielen Fällen nicht zweifelsfrei zu ermitteln war. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass für den Zeitraum 1794–1874 ein großer Teil der in den Staatsarchiven vorhanden Kirchenbücher Zweitschriften aus dem ursprünglichen Bestand der Amtsgerichte sind. Mitunter ist dies auch an der Laufzeit der Bücher erkennbar, da diese im Gegensatz zu den Erstschriften jeweils am Ende eines Jahres abgegeben werden mussten und somit den Zeitraum eines Jahres abdecken.

Das vorliegende Verzeichnis wird trotz intensiver Bemühungen nicht ohne Fehler und keinesfalls vollständig sein. Eine regelmäßige Überarbeitung wird seitens der AGoFF-Forschungsstelle Schlesien erfolgen. Ich bitte alle, die mit dem Verzeichnis arbeiten und Fehler oder Ungenauigkeiten feststellen oder über das Vorhandensein weiterer Quellen Auskunft geben können, sich an mich zu wenden, denn nur in gemeinsamer Anstrengung können wir manche notwendige Ergänzung oder Berichtigung vornehmen. Gleichzeitig wünsche ich allen, die in Schlesien forschen, dass es dafür eine unverzichtbare Hilfe sein wird und manche Recherche deutlich erleichtert.

 

Berlin, im November 2023.
Andreas Rösler


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Quellen:

  • Gerhard Eberlein, Joseph Jungnitz. Die Kirchenbücher Schlesiens beider Confessionen. Hrsg. vom Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens. Breslau 1902.
  • Erich Randt, Horst-Oskar Swientek (Hrsg.): Die älteren Personenstandsregister Schlesiens. Hrsg. vom Verein für Geschichte Schlesiens (Einzelschriften, N.F., Bd. 1). Görlitz 1938.
  • Handbuch über die katholischen Kirchenbücher in der ostdeutschen Kirchenprovinz östlich der Oder und Neiße und dem Bistum Danzig. Bearb. von Johannes Kaps nach dem Stande vom 8. Mai 1945. Hrsg. vom Kath. Kirchenbuchamt und Archiv für Heimatvertriebene München. München 1962.
  • Johannes Grünewald: Die noch vorhandenen Kirchenbücher Schlesiens und ihre derzeitigen Lagerorte. In: Deutsches Geschlechterbuch. Bd. 178. Limburg/Lahn 1978.
  • Territoriale Veränderungen in Deutschland und deutsch verwalteten Gebieten 1874–1945: Rolf Jehke, Herdecke, www.territorial.de (zuletzt abgerufen am 7.11.2023).
  • Pfarrbücherverzeichnis für das Erzbistum Breslau. Bearb. von Józef Pater. Hrsg. vom Institut für Ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte. 2., erw. Aufl., überarb. durch Gerold Wenzel. Regensburg 2013.
  • Halina Kowalczyk-Dudała/Wojciech Schäffer: Księgi metrykalne w Archiwum Archidiecezjalnym w Katowicach. Przewodnik po zespole. Żrodła do Dziejów Kościola katolickiego na Gornym Śląsku. Katowice 2013.

 

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